Hintergrundinfo Lohnungleichheit

Unsere Forderung:
Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern – Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit

Auch 51 Jahre nach den Römischen Verträgen gibt es in jedem europäischen Land deutliche Unterschiede zwischen den Löhnen von Frauen und Männern (vgl. Bericht der Europäischen Kommission zur Gleichstellung von Frauen und Männern 2006). Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern liegt in Deutschland bei ca. 22 Prozent. Neuere Zahlen, die von EU Komissar Spidla im Februar 2009 präsentiert wurden, gehen sogar von 23 Prozent aus. Damit ist das sog. Gender-Pay-Gap in Deutschland deutlich höher als der EU-Durchschnitt von 17 Prozent. Besonders alarmierend dabei ist, dass die Lohnschere in Deutschland sich nicht schließt sondern weiter aufgeht.

Rechtliche Regelungen:
Durch eine Reihe rechtlicher Regelungen ist Deutschland zur Herstellung von Entgelt-gleichheit verpflichtet. Dazu gehört vor allem der Gleichberechtigungsgrundsatz aus Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes. Darüber hinaus auch durch das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW), das in Artikel 11 Abs. 1 verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau im Berufsleben zu treffen, wozu das Recht auf gleiches Entgelt, einschließlich sonstiger Leistungen, und auf Gleichbehandlung bei gleichwertiger Arbeit sowie Gleich-behandlung bei der Bewertung der Arbeitsqualität gehören. Auch gemäß EG-Vertrag (Artikel 141) muss jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherstellen. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) regelt das Verbot der Diskriminierung von Teilzeit- und befristet Beschäftigten. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bestimmt erneut, dass Benachteiligungen u. a. in Bezug auf „die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen, unzulässig sind.

Wirkungen:
Dennoch kommt es nur selten zu Klagen wegen Entgeltdiskriminierung; das gilt auch für das AGG. So wurden in JURIS seit 1980 insgesamt nur 136 Klagen wegen des Gleichbehandlungsgebots dokumentiert.

Deshalb ist für uns klar: eine bessere Unterstützung der Akteure und Akteurinnen auch durch ein erweitertes Verbandsklagerecht (z.B. für Betriebsräte) ist erforderlich, damit die Betroffenen nicht individuell klagen müssen. Denn eine Klage gegen den Arbeitgeber ist eine hohe Hürde.

Ursachen der Einkommensunterschiede:
Die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Frauen und Männern sind komplex; gemeinsam ist ihnen jedoch allen, dass sie wesentlich auf traditionelle Geschlechterrollen zurückgehen. Dazu gehört insbesondere die Vorstellung, dass vor allem Mütter für die direkte Betreuung der Familie und der Kinder zuständig sind, Vätern dagegen vor allem die Ernährerrolle zufällt.

Es sind immer noch überwiegend Frauen, die aus familiären Gründen Erwerbsunterbrechungen in Kauf nehmen. Unsere Arbeitswelt und unser Sozialsystem, bindet aber fast alle Leistungen an eine möglichst ununterbrochene Vollzeiterwerbstätigkeit und be-nachteiligt damit Frauen. Das gilt insbesondere, wenn die Vereinbarkeit von Familie und existenzsichernder Berufstätigkeit wegen fehlender qualitativ hochwertiger Kinderbetreuungangebote unmöglich gemacht wird.

Viele Frauen können deshalb nur in Teilzeit und/oder prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten.

Hinzu kommt, dass der Arbeitsmarkt in Branchen, Berufe und Hierarchiestufen geteilt ist, die insbesondere Frauen oder Männern zugeschrieben werden. Das Berufswahlspektrum von jungen Frauen ist trotz ihrer besseren Schulabschlüsse weiterhin eng. Mehr als die Hälfte wählt aus nur zehn Ausbildungsberufen im dualen System – darunter kein naturwissenschaftlich-technischer. Damit schöpfen sie weder ihre Berufsmöglichkeiten noch ihre Fähigkeiten aus. Typischerweise werden die Berufe und Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, niedriger angesehen und bezahlt, auch wenn es dafür keine objektiven Gründe gibt. Die derzeitige Debatte um Mindestlöhne zeigt, dass in Branchen, in denen extrem schlecht bezahlt wird, überwiegend Frauen arbeiten, wie in der Floristik (Frauenanteil: 91 Prozent) oder dem Friseurhandwerk (89 Prozent).

Mindestlöhne in diesen Branchen würden daher überwiegend Frauen zugutekommen.

Nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) lassen sich in den westlichen Bundesländern ein Drittel der geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede, in den ostdeutschen Ländern ein Viertel, allein durch direkte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erklären.

Was tut die Bundesregierung?
Die bestehenden Gesetze führen nicht dazu, dass sich der Entgeltunterschied zwischen Frauen und Männern verringert. Auch andere Maßnahmen wie die freiwillige Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Arbeitgeberverbänden oder der Girls‘ Day, der das Berufswahlspektrum von Mädchen erweitern soll, haben keine Veränderungen gebracht. Das Gleiche gilt für das von der Bundesregierung geförderte Internetportal www.frauenmachenkarriere.de oder die ebenfalls aus Bundesmitteln geförderte Etablierung der bundesweiten Gründerinnenagentur (bga). Auch der Leitfaden „Entgeltgleichheit für Frauen und Männer – Fair P(l)ay„ gibt zwar Hinweise, bleibt jedoch wirkungslos.

Das AGG bietet zwar Unterstützung an und Benachteiligte können sich an die Antidiskriminierungsstelle wenden. Das reicht uns bei weitem nicht aus, wir wollen dass die Bundesregierung handelt und haben deshalb einen Antrag in den Bundestag eingebracht.

Die Rolle der Tarifpartner:
Bisher ist auch nicht zu erkennen, dass die Tarifparteien der Herstellung der Entgeltgleichheit einen hohen Wert beimessen.

Dabei müsste in Tarifverhandlungen endlich darauf geachtet werden, dass Arbeitsbewertungen diskriminierungsfrei gestaltet werden. Denn frauentypische Berufe erfahren nicht nur eine geringe gesellschaftlich Anerkennung. Vor allem soziale Leistungen die in diesen Berufen erbracht werden fließen oft nicht in die Bewertungskriterien ein. Es gibt bereits Modelle, die eine diskriminierungsfreiere Arbeitsbewertung gewährleisten. Diese müssen endlich auch zur Anwendung kommen.

Daher muss die Bundesregierung hier endlich aktiv werden und die Eingruppierungskri-terien für den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst im Wirkungsbereich des Bundes auf mittelbare und unmittelbare Diskriminierung zu überprüfen und diese unverzüglich abzubauen.

Die Folgen:
Was auf den ersten Blick ein Problem der Frauen zu sein scheint, ist in der Realität ein gesamtwirtschaftliches Desaster. Niedrige Löhne und veraltete steuerrechtliche Rege-lungen wie das Ehegattensplitting grenzen Frauen aus dem Erwerbsleben aus und behindern ihre eigenständige Existenzsicherung. Eine ausreichende Altersabsicherung von Frauen wird dadurch zum Teil ganz verhindert – mit fatalen Folgen nicht nur für unsere Sozialsysteme.
Dabei ist auch die Wirtschaft zunehmend auf das Potential gut ausgebildeter Frauen angewiesen. Angesichts des demographischen Wandels und des bereits jetzt existierenden Fachkräftemangels kann sie es sich nicht leisten, auf diese gut ausgebildeten Fachkräfte zu verzichten.

Wir wissen: eine Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit bringt insgesamt positive Beschäftigungseffekte mit sich. Sie steigert beispielsweise die Nachfrage nach Konsumgütern, öffentlichen Diensten, wie z.B. Kinderbetreuung und haushaltsnahen Dienstleistungen.

Damit mehr Frauen existenzsichernd arbeiten können, bedarf es aber einer gerechten Bezahlung und zwar in allen Bereichen.

Wir setzen uns ein für:

  • neue, transparente Bewertungskriterien, die endlich mit der Diskriminierung von Frauenberufen Schluss machen. Frauenspezifische Berufe müssen ihren tatsächlichen Anforderungen entsprechend bezahlt werden.
  • ein umfassendes Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, dass Diskriminierungen am Arbeitsmarkt effektiv bekämpft.
  • ein Verbandsklagerecht, damit Diskriminierungen im Lohnbereich nicht ausschließlich durch individuell eingerechte Klagen gerichtlich bekämpft werden können.
  • Änderungen im Vergaberecht, damit Unternehmen die die Gleichstellung aktiv fördern, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt behandelt werden.
  • Eine umfassende Mindestlohnregelung, die die Voraussetzung für Mindestlöhne in allen Branchen schafft und damit auch einen Schutz vor Lohndumping im Niedriglohnbereich, in dem vorwiegend Frauen beschäftigt sind, herstellt.
  • flexiblere Arbeitszeitmodelle vor allem in Führungspositionen, damit Frauen und Männer Kindererziehung, Pflege und Beruf miteinander vereinbaren können, ohne dass es zu langen Unterbrechungszeiten mit beruflichen Nachteilen kommt.
  • Maßnahmen, die Frauen und Männer, die nach einer Familienphase wieder in den Beruf zurückkehren den Wiedereinstieg erleichtern und sie weiter qualifizieren.
  • eine Berufsberatung, die Mädchen ermutigt Berufe mit Zukunft und Aufstiegschancen zu ergreifen, auch wenn diese jenseits der klassischen Rollenbilder liegen. Ein Girls day im Jahr reicht hier nicht aus – vielmehr sollte es unterschiedlichste Möglichkeiten für Praktika in allen Schulformen geben. Hier sehen wir auch die Schulen in der Pflicht, Angebote für Mädchen und Jungen zu machen, die ihre Interessen und Fähigkeiten erweitern.
  • mehr Frauen in Führungspositionen, denn hier sind Frauen immer noch viel zu selten vertreten. Diese Männerdominanz ist ungerecht und ein Innovationshemmnis für die Wirtschaft. Deshalb fordern wir nach norwegischem Vorbild eine 40% Quote für Frauen in Aufsichtsräten deutscher Unternehmen.
  • ein verlässliches Netz an Infrastruktur, um allen Menschen mit Familienpflichten eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. Denn auch immer mehr Männer möchten flexiblere Arbeitszeiten und familienfreundliche Arbeitsplätze, um sich beispielsweise Kindererziehung partnerschaftlich teilen zu können.
  • Wir fordern den massiven Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Bildung und Erziehung ab dem 1. Lebensjahr und ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen, damit Frauen und Männer die Möglichkeit haben, das Leben mit Kindern und Beruf zu vereinbaren.