Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
auch ich freue mich – und kann da nahtlos an Julia Burghardt anknüpfen, dass Sie und ihr so zahlreich unserer Einladung gefolgt seid, um mit uns – mit mir – in den Oberbürgermeisterwahlkampf zu starten. Eure Unterstützung bedeutet mir sehr viel, habt vielen Dank dafür.
Nach der Ankündigung meiner Kandidatur habe ich viel Zuspruch und Unterstützung bekommen. Es gab aber auch Stimmen, die fragten, warum ich mir das antun würde. Ich denke, wer etwas verändern möchte, muss sich einbringen – und da gibt es in unserer Stadt einiges zu tun.
Halle ist eine Stadt für den zweiten Blick, ich habe diese Erfahrung selber gemacht und kann mir vorstellen, dass es vielen von euch, die zugezogen sind, auch so gegangen ist. Als ich das erste Mal in Halle war, war es ein dunkler Oktoberabend Anfang der 90er Jahre und die Stadt wirkte grau und überhaupt nicht einladend. Wir waren auf der Suche nach einem Wohnheimplatz für meine Frau und gelangten irgendwie zum heutigen Weinbergcampus. Wenige Jahre später war ich fest in Halle verwurzelt, ich bin geblieben aus Überzeugung und freue mich, dass meine Kinder hier groß werden. Halle ist eine Stadt, in der man gut leben kann.
Diese Lebensqualität, also die Qualität des Wohnumfeldes, Arbeitsplätze – Parks, Grünflächen, Spielplätze – Sport- und Freizeitangebote – Kitas und Schulen – vielfältige Angebote von Clubs und Kneipen bis zu Theater, Oper und „freier Kulturszene“, diese Lebensqualität ist wichtig für die Zukunft der Stadt, ist wichtig für die Menschen, die in ihr leben
In unserer Stadt passiert etwas, was wir uns vor 15 und auch 10 Jahren nicht vorstellen konnten: Wir haben deutlich steigende Geburtenzahlen, immer mehr junge Familien mit Kindern leben in unserer Stadt. Mein Sohn Yannick zum Beispiel ist vor acht Jahren in die Johannesschule in der südlichen Innenstadt eingeschult worden. Damals gab es zwei erste Klassen mit weniger als zwanzig Schülerinnen und Schülern. Heute sind es 100 Kinder, die eingeschult werden – die Schule ist auf dem Weg zur Siebenzügigkeit. Und so geht es vielen Schulen in der Stadt.
Die Strukturen, die Bedarfe in der Stadt verändern sich also dramatisch. Hier sehe ich die Stadt in der Pflicht:
Das Angebot an wohnortnahen Kitas muss erweitert werden. Im Moment stopft die Stadtverwaltung immer mehr Kinder in die vorhandenen Kindergärten, Horte platzen aus allen Nähten und werden zur Doppelnutzung von Räumen mit den Schulen gedrängt. Damit werden wir dem Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen nicht gerecht, sondern bewegen uns zurück zu den Verwahranstalten, die wir schon hinter uns gelassen haben.
Wir brauchen in Halle gute Schulen – aber längst nicht alle Gebäude sind in einem Zustand, in denen Kinder gerne lernen. Das muss sich ändern, denn gute Gebäude sind die Grundlage für den Bildungserfolg unserer Kinder. Es liegen große Versäumnisse hinter uns, dass die Stadt es über zwanzig Jahre nach der Wende nicht geschafft hat, alle Schulen wenigstens sogrundzusanieren, dass Sanitäranlagen und Turnhallen in akzeptablem Zustand sind. Das fällt uns nun bei knapperer Kassenlage auf die Füße – gepaart mit einer Brandschutzproblematik, über die man am liebsten gar nicht nachdenken möchte. Ich möchte eine Planung erstellen, die eine Sanierungsperspektive für die halleschen Schulen in den kommenden fünf bis sieben Jahren aufzeigt. Das ist überfällig.
Aber gute Schulgebäude sind nicht alles, was eine Kommune erreichen kann: Wichtig ist beispielsweise auch eine ausreichende Ausstattung bei den Lehrmittelbudgets und die Einbeziehung des Schulumfeldes in den Schulalltag: von den vielen Bildungseinrichtungen bis hin zu Bildungspartnerschaften mit Institutionen und Vereinen.
Schule ist aber nicht nur Lern-, sondern auch Lebens- und Erfahrungsort. Mir ist wichtig, dass Kinder auch Erfahrungen mit Demokratie und Selbstbestimmung als Grundlage unseres Zusammenlebens machen. In Halle ist im letzten Jahr das Modellprojekt „Demokratie macht Schule“ gestartet, das vom Friedenskreis getragen wird. Das Ziel ist die nachhaltige Stärkung von Demokratieerziehung und die Verankerung von Partizipation an halleschen Schulen. Ich habe mich intensiv dafür eingesetzt, dass es zu einer Schwerpunktsetzung des Lokalen Aktionsplans „Hallianz für Vielfalt“ im Bereich Schule und Demokratie kommt. Damit ist es aber nicht getan. Auch wenn die Stadt formal bei den Inhalten des Lernens nicht mitzureden hat, so sind wir dennoch als Schulträger, als Verwaltung, als Stadtrat und als Gemeinwesen aufgefordert, diesen Anspruch an unsere Schulen zu formulieren und sie auf jede nur erdenkliche Weise auf diesem Weg zu unterstützen. Hier möchte ich meinen Beitrag leisten.
Bisher ist in dieser Stadt Bildungspolitik zu sehr eine Gebäudeverwaltung gewesen. Ich möchte den umfassenden Einsatz für Bildung in den Mittelpunkt städtischer Politik stellen. Einige Ziele habe ich schon formuliert. Verwaltungsseitshalte ich die Schaffung eines Bildungsamtes für notwendig. Hier können neben der Zuständigkeit für die Schulgebäude zentrale Bereiche aus dem Sozialen, der Jugendhilfe, dem Sport und den kulturellen Bildungseinrichtungen gebündelt und damit über die strukturelle Vernetzung eine neue Schlagkraft mit neuen Perspektiven geschaffen werden.
Über gute Bildungsmöglichkeiten hinaus hat unsere Stadt viel zu bieten. Viele Einrichtungen machen Angebote für alle Menschen unserer Stadt.
- Es gibt Bildungs- und Erlebniseinrichtungen wie unsere Museen, den Zoo und das SchulumweltzentrumFranzigmark. Gerade für Kinderin der Stadt (und natürlich auch Erwachsene) ist das Erfahren von Umwelt wichtig. Ich will, dass diese Einrichtungen erhalten und aufgewertet werden. Gerade das Schulumweltzentrum in der Franzigmark ist ja aktuell wiederholtes Ziel von Schließungsbemühungen der Stadtverwaltung. Mit der Übertragung an den BUND und einer stetigen Absenkung der Zuschüsse haben wir aber bereits vor zwei Jahren die Weichen für die Zukunft der Franzigmark gestellt. Eine Schließung zum jetzigen Zeitpunkt kommt zur Unzeit und würde den Verlust einer der wertvollsten städtischen Umweltbildungseinrichtungen bedeuten.
- Wir haben in Halle zahlreiche Sport und Freizeitangebote, die nur durch viele ehrenamtlich Engagierte aufrechterhalten werden können.Die Stadt muss diese Grundlagen des Breitensports erhalten statt sich in Prestigeprojekten zu verlieren. Was Halle braucht, sind sanierte Turnhallen und nicht Großprojekte, wie das viele Millionen teure Fußballstadion oder die neu geplante Ballsporthalle.
- Wir besitzen eine vielfältige Kulturszene,mehrere Theater, eine Oper und ein in diesem Bundesland einzigartiges Kinder- und Jugendtheater – das Thalia-Theater. Noch, denn auch hier will die Stadtverwaltung in gemeinsamer Täterschaft mit dem Aufsichtsrat der TOO GmbH Einsparungen vornehmen und schließt in einem ersten Schritt dem Thalia-Theater die eigene Spielstätte. Das Ensemble soll sich auf die restlichen Bühnen einsortieren und das Repertoire auf den Kinderbereich beschränken.
Ich bin der Suche nach Lösungen für die Finanzprobleme im Kulturbereich überhaupt nicht abgeneigt. Aber hier wird dem ungeliebten Kind im zweiten Anlauf de facto die Arbeitsgrundlage entzogen, ohne dass es zu einer Abwägung der Folgen und dem Aufzeigen möglicher Alternativen gekommen ist. Und dabei reichen die gewonnen Einsparungen nur ein Jahr – es liegt auf der Hand, was danach folgen wird.
- In unserer Stadt gibt es aber Aufenthaltsqualität auch fernab von Institutionen: als Stadt am Fluss an unserer Saale wie auch in der attraktiven Innenstadt mit Kneipenmeilen wie der Kleine Ulrichstraße.
Viele sehen dieses alles – Sport, Bildung und Kultur – nur als Kostenfaktoren, die wir uns nicht mehr leisten können. Ich aber meine, dieses sind Grundlagen unseres Gemeinwesens und Investitionen in die Zukunft: Halle muss – Halle kann sich das leisten
Es sind Grundlagen für die Weiterentwicklung der Stadt. Es sind auch Standortfaktoren für wirtschaftliche Entwicklung – denn wir sind Hochschul- und Wissenschaftsstandort (mit MLU und der Hochschule für Kunst und Design, mit Leopoldina, Franckeschen Stiftungen und vielen weitere wiss. Einrichtungen wie dem TGZ). Wir brauchen attraktive Angebote für Menschen, die nach Halle kommen und hier auch bleiben sollen.
Wir sind kein Industrie- und Chemiestandort mehr. Unsere – wenn ihr so wollt – FroheZukunft liegt nicht mehr in Rohstoffen wie Kohle und Salz, sondern in den Köpfen der Menschen dieser Stadt. Halle kann diese Zukunft gestalten. Dafür braucht es aber moderne, städtische Politik und den Mut, alte Zöpfe abzuschneiden:
- Wir brauchen nicht das in teuren und beleuchteten Äckern verendete Warten auf DEN Großinvestor sowie prähistorische Verkehrsprojekte des letzten Jahrtausends. Stattdessen brauchen wir die vielleicht etwas mühseligere aber erfolgreiche Förderung von Mittelstand und Existenzgründern.
- Wir brauchen nicht das pflichtschuldige Verwalten von Schulgebäuden. Stattdessen muss ganzheitliche Bildung zentrales Anliegen städtischer Politik sein.
- Und wir brauchen nicht eine fantasielose Verkehrspolitik, die die wenigen Investitionsmittel in neue Straßen und neue Parkplätze betoniert. Stattdessen müssen wir die Voraussetzungen für eine moderne und umweltfreundliche Mobilität für alle schaffen.
Der öffentliche Raum ist zu wertvoll, um ihn vor allem zum Parken zu benutzen. Die Qualität unserer Parks, Plätze und Straßen ist entscheidend für die Attraktivität städtischen, urbanen Lebens. Die Beteiligung aller an ihrer Planung und Weiterentwicklung macht zeitgemäße demokratische Politik aus.
Die Zukunft unserer Stadt hängt entscheidend von den Potentialen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ab. Die zukunftsfähigste Politik ist gute Bildungspolitik. Halle muss in Köpfe investieren, nicht länger in Beton! Dieser Wandel muss gelingen, dafür stehe ich als zukünftiger Oberbürgermeister. Wir können diese Zukunft gestalten, Halle kann grüner werden.