Angesichts der angespannten Finanzlage, sind viele Kommunen um strikte Einsparungen in ihren Haushalten bemüht. Als erster Ansatzpunkt für Kürzungen gerät dabei häufig der Kulturbereich in den Blick der Entscheidungsträger. Diesen Umstand nahmen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Anlass für eine Diskussionsrunde unter der Fragestellung „Keine Kultur bei klammen Kassen?“. Die grüne Bundesvorsitzende Claudia Roth und die Intendantin des Thalia-Theaters Annegret Hahn debattierten vor rund 70 ZuschauerInnen angeregt über das Schicksal des halleschen Kinder- und Jugendtheaters sowie den allgemeinen Stellenwert der Kultur in der Gesellschaft.
„Halle müsste eigentlich stolz sein auf ein solches Theater“, betonte Roth in Bezug auf das Thalia. Sie selbst habe in der Vergangenheit durch Studium und Beruf umfassende Einblicke in die Welt des Theaters gewonnen und wisse daher über den enormen Wert des Kinder- und Jugendtheaters für die Gesellschaft. So könne das Theater junge Menschen prägen und sie zu aktivem Engagement in der Gesellschaft anregen. In diesem Kontext verwies Hahn etwa auf das vom Thalia-Theater getragene Projekt der Kinderstadt, bei dem Kinder und Jugendliche durch den Aufbau und die Organisation einer eigenen Stadt praktische Erfahrungen im Umgang mit Fragen der Demokratie sammeln könnten.
Gerade die Schließungsdiskussionen hätten sich dabei in der Vergangenheit als Motor für die eigene Kreativität erwiesen. „Not macht erfinderisch“, entgegnete Hahn auf die Frage nach der Belastung durch die nun schon seit Jahren drohende Schließung. Man habe immer versucht das beste aus den Gegebenheiten zu machen, dabei bewusst das Ungewöhnliche gesucht und damit auch Teile der Gesellschaft als Publikum gewonnen, die nicht zum klassischen Theaterpublikum zählten. Die Not dürfe indes nicht zum Dauerzustand werden, betonte Roth. Kunst und Kultur könnten nicht allein von „Luft und Liebe“ leben, sondern bräuchten handfeste finanzielle Unterstützung. Angesichts der Leistung, die es in den Bereichen der kulturellen und politischen Bildung erbrächte, müsse das Theater endlich als systemrelevant und nicht länger als freiwillige Leistung und damit als erster Ansatzpunkt für Kürzungen begriffen werden. Neben ihrem Beitrag zur Bürgererziehung, sei die Kultur zudem auch ein wichtiger Standortfaktor, der auch aus ökonomischer Sicht erhalten werden müsse. Insbesondere die Breite und Vielfalt des deutschen Kulturraums würde dabei internationale Beachtung genießen und müsste unbedingt bestehen bleiben.
Folgerichtig konnten weder Roth, noch Hahn dem Vorschlag der Kultusministerin Sachsen Anhalts, Birgitta Wolff, etwas abgewinnen, Fördermittel für Theater in Zukunft nach der Auslastung zuzuteilen um „zuschauergerechtes“ Theater zu fördern. Sie sei schlicht „fassungslos“ angesichts dieser Äußerungen, betonte Hahn. Die Pläne der Kultusministerin würden den gesellschaftlichen Auftrag des Theaters schlichtweg ignorieren und die Freiheit der Kunst beschneiden. Die Qualitätsmessung anhand von Auslastungen und Quoten würde dem Wesen des Theaters nicht gerecht, ergänzte Roth. Statt qualitativ hochwertiger Kunst, die einem Bildungsauftrag gerecht werde, würden dadurch lediglich Publikumsmagneten mit zum Teil sehr fragwürdigem Niveau gefördert.
Aus dem Publikum auf den Stand der Rettung des Thalia-Theaters angesprochen, musste Hahn zudem in der Diskussionsrunde einen neuerlichen Rückschlag offenbaren. Die Verhandlungen über einen Haustarifvertrag seien vorerst gescheitert, die Schließung des Theaters zum Juli damit immer noch akut. Als Reaktion auf diese Hiobsbotschaft erhob sich in den folgenden Wortmeldungen deutliche Kritik angesichts des Verhaltens der politischen Entscheidungsträger. So habe der Protest der Bevölkerung gegen die Schließung zu wenig Beachtung gefunden. Auch die anwesende grüne Spitzenkandidatin zur Landtagswahl,Prof. Claudia Dalbert,äußerte sich kritisch über die Auslagerung der Schließungsentscheidung aus dem Stadtrat und plädierte darüber hinaus dafür Kinder- und Jugendtheater endlich zu einer Pflichtaufgabe zu ernennen um künftigen Kürzungen in diesem Bereich vorzubeugen. Zur gerechteren Lastenverteilung befürwortete Dalbert zudem ein Kulturraumgesetz, das die umliegenden Kommunen an der Finanzierung des Kulturangebots in Halle beteiligen würde.
Philipp Weinhold