Beschluss der Mitgliederversammlung vom 14. September 2011 von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Stadtverband Halle (Saale)
Das Angebot von pädagogisch leistungsfähigen Schulen durch die Sicherung des benötigten Schulraums ist Ziel der kommunalen Schulentwicklungsplanung (SEPL). Die SEPL der Stadt Halle (Saale) soll hierfür nach § 22 Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt „die planerischen Grundlagen für die Entwicklung eines regional ausgeglichenen und leistungsfähigen Bildungsangebotes […] und den Planungsrahmen für einen auch langfristig zweckentsprechenden Schulbau schaffen.“
Unter dem Gesichtspunkt aktuellen Handlungsdrucks (insbesondere steigende Schülerzahlen zur Zeit vor allem im Grundschulbereich sowie die aufsichtsrechtliche Forderung nach Auslastungsverbesserung im Förderschulbereich) haben auf Antrag der Stadtratsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Bildungsausschuss und der Stadtrat die Stadtverwaltung aufgefordert, zum September 2011 Vorschläge für eine umfassende Fortschreibung der SEPL vorzulegen (Stadtratsantrag V/2010/09361). Im Gegensatz zur Stadtverwaltung sehen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dringenden Handlungsbedarf, um die Bildungs- und Aufenthaltsqualität der Schulen langfristig zu garantieren. Dieser besteht in der Stadt Halle (Saale) insbesondere bei den Förderschulen und Grundschulen.
1. Grundschulen
Die Stadt Halle (Saale) unterhält zurzeit 32 Grundschulen, die im letzten Schuljahr von rund 5.800 Kindern besucht wurden. 85 % der Kinder im schulfähigen Alter werden in kommunale Grundschulen eingeschult (2010, SEPL der Stadt Halle (Saale) 2009/10 bis 2013/14, V/2009/08287), 8 % in Schulen freier Träger und 7% in Förderschulen. Handlungsbedarf für die Fortschreibung der SEPL entsteht im Bereich der Grundschulen insbesondere wegen des Erreichens der Kapazitätsgrenzen oder wegen des Sanierungsbedarfs einzelner Standorte. Obwohl bei einer Betrachtung des gesamten Stadtgebiets rein rechnerisch genügend Unterrichtsplätze vorgehalten wären, offenbart ein Blick in einzelne Stadtviertel deutliche Überlastungen einzelner Grundschulen, sowie zum Teil auch Unterauslastungen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern die Gestaltung der Grundschullandschaft im Rahmen der Fortschreibung der SEPL nach folgenden Grundsätzen:
- kurze und sichere Schulwege
- kindgerechte, moderne und heutigen pädagogischen Ansprüchen genügende Schulgebäude in angemessenem Sanierungszustand
Eine Neuzuschneidung einzelner Einzugsbereiche von Grundschulen kann helfen, diese Grundsätze zu erreichen. Darüber hinaus sehen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kurzfristigen Bedarf für die Eröffnung zweier neuer Grundschulen.
Vorschläge für Veränderungen der Einzugsbereiche
Süden
In der südlichen Innenstadt würde die Wiedereröffnung der Grundschule „Glaucha“ in der Heinrich-Pera-Straße zu einer Kapazitätserweiterung in diesem Stadtgebiet führen und die Grundschulen „Johannesschule“ und „Am Ludwigsfeld“ im Bezug auf die Schülerzahlen entlasten. Darüber hinaus würden unnötig lange Schulwege vermieden. Die Schülerzahlen an beiden Schulen sind bereits in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen – und werden dieses in den folgenden Schuljahren auch weiterhin tun (allein in der Johannesschule um über 200 SchülerInnen), so dass deutlicher Bedarf zur Entlastung der gedrängten Situation besteht.
Im Bereich der Grundschule „Auenschule“ bzw. der Grundschulen “Hanoier Str.”, “Silberwald” und “Frieden” südlich der S-Bahn-Linie würde ein Neuzuschnitt der Einzugsbereiche zu einer besseren Verteilung der SchülerInnen in Halles Süden führen. Die Schließung einer Schule zur Auslastungserhöhung der übrigen Schulen lehnen wir mit Blick auf die Schulweglängen ab.
Mitte
Die Grundschulen „K.F. Friesen“ und „G.E. Lessing“ sollten durch eine Umstrukturierung der Einzugsbereiche ebenfalls entlastet werden, auch sie weisen stark steigende Schülerzahlen auf. Insgesamt sind die Kapazitäten der vorhandenen Grundschulen in diesem Stadtgebiet erschöpft, so dass die Gründung einer weiteren Grundschule notwendig erscheint. In diesem Zuge müssen dann auch die Einzugsbereiche für die Grundschulen „A. Dürer“ und „Neumarkt“ angepasst werden.
Westen
In den Stadtteilen Halle-Neustadt, Heide-Süd und in Nietleben sinken die Schülerzahlen. Die städtische Bildungspolitik sollte hierauf planerisch vorausschauend reagieren. Ausnahmegenehmigungen bei Unterschreitung der Mindestschülerzahl, die Zusammenlegung von Schulstandorten oder der Neuzuschnitt von Einzugsbereichen müssen hier im Rahmen der Fortschreibung der SEPL diskutiert werden. Vordringlich betroffen sind zunächst die Grundschulen „Lilien” und „Am Heiderand”.
Die Gründung einer internationalen Grundschule in freier Trägerschaft in Halles Westen begrüßen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN prinzipiell, betrachten das Engagement der Stadtverwaltung in diesem Fall jedoch kritisch. Die Stadt als Träger der kommunalen Grundschulen hat die Aufgabe, öffentliche Schulen zu fördern und eine optimale schulische Versorgung in allen Stadtteilen sicher zu stellen. Die Förderung einer Grundschule in freier Trägerschaft in einem Stadtgebiet, in welchem die kommunalen Grundschulen nicht ausgelastet sind, kann nicht im Interesse der Stadt liegen und würde die Bestandsfähigkeit kommunaler Schulen gefährden.
2. Sekundarschulen
Halle unterhält sechs Sekundarschulen, die von rund 2.100 Schülerinnen und Schülern besucht werden, sowie eine Sportsekundarschule.
Die bisherige Schulentwicklungsplanung führte bereits zur Reduktion von ehemals 21 Sekundarschulen. Dennoch wird die Mindestzahl für Anfangsjahrgänge von 40 SchülerInnen in einigen Schulen in den nächsten Jahren nicht erreicht werden. Die derzeit geltenden Schuleinzugsbereiche zementieren dieses Problem. Das Ziel der SEPL – stabile, von SchülerInnenzahlenschwankungen unabhängige Sekundarschulen – kann so nur schwer erreicht werden. Am drängendsten stellt sich dieses Problem für die Schulen „Kastanienalle” und „Halle-Süd” dar.
Die Auswirkungen durch die von der Landesregierung angekündigte Abschaffung der Verbindlichkeit der Schullaufbahnempfehlung müssen unter diesem Gesichtspunkt in Zukunft genau beobachtet werden. Insbesondere die Umwandlung in Gesamtschulen sollte als Lösungsansatz weiter verfolgt werden.
Aufgrund der zu erwartenden Veränderungen zum qualitativen Umbau der Schullandschaft auf dem Weg zur Inklusion sollte kein Schulgebäude aufgegeben werden.
3. Gymnasien
Sechs Gymnasien in kommunaler Trägerschaft mit ca. 3.600 Schülerinnen und Schülern sowie je ein Gymnasium in freier und in Landesträgerschaft bilden in Halle die Schullandschaft der Gymnasien. Drei der Gymnasien in kommunaler Trägerschaft – das Georg-Cantor, das Herder- und das Sportgymnasium – haben inhaltliche Schwerpunkte und fallen somit aufgrund der speziellen Aufnahmebedingungen nicht unter die weitere Betrachtung.
In der Stadt Halle (Saale) gibt es keine Einzugsgebiete für Gymnasien, so dass die Aufgabe der SEPL in der Überprüfung der Standorte unter Berücksichtigung territorialer Ausgeglichenheit liegt. Der Wegfall der Verbindlichkeit der Schullaufbahnempfehlung wird sehr wahrscheinlich auch hier Einfluss auf den Bedarf an Gymnasialplätzen haben und wahrscheinlich zu steigenden SchülerInnenzahlen führen.
Aktuell kann noch allen interessierten Schülerinnen und Schülern ein Platz an einem städtischen Gymnasium – wenngleich nicht immer wohnortnah – angeboten werden. Im Rahmen der Fortschreibung der SEPL ist stets zu klären, ob entsprechend der Entwicklung der SchülerInnenzahlen ausreichend Gymnasialstandorte oder Gymnasialzweige an Gesamtschulen vorgehalten werden. Der steigenden Bedarf an Gymnasialplätzen muss mittelfristig gedeckt werden, wobei durch die Einrichtung eines weiteren Gymnasiums bestehende Standorte in ihrer Bestandssicherheit nicht gefährden werden dürfen. Es müssen sowohl Kapazitätserweiterungen der vorhandenen Gymnasien wie auch die Umwandlung von Sekundarschulen in Gesamt- oder Gemeinschaftsschulen (mit gymnasialen Oberstufen) geprüft werden.
4. Gesamtschulen
In der Stadt Halle (Saale) gibt es vier Gesamtschulen, davon zwei in kooperativer Form sowie jeweils eine integrative Gesamtschule in kommunaler und in freier Trägerschaft. Die drei kommunalen Schulen besuchen ca. 2.500 Schülerinnen und Schüler. Auch für Gesamtschulen sind in Halle (Saale) keine Einzugsbereiche festgelegt.
Zur Entlastung der kommunalen Gymnasialstandorte sollte diese von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN grundsätzliche befürwortete Schulform verstärkt in den Fokus der städtischen Vermittlungsbemühungen genommen werden. Viele Schülerinnen und Schüler profitieren auf einer Gesamtschule von einem längeren Zeitraum zur Orientierung für ihren späteren Schulabschluss.
Die den Abschlüssen der Gymnasien gleichwertigen Gymnasialzweige der Gesamtschulen können helfen, zukünftige Kapazitätsengpässe der kommunalen Gymnasien aufzufangen.
5. Förderschulen
Die Stadt Halle (Saale) unterhält zurzeit fünf Förderschulen für Lernbehinderte, zwei Förderschulen für Sprachentwicklung und zwei Förderschulen mit Ausgleichsklassen, die insgesamt von knapp 1.400 Schülerinnen und Schülern besucht werden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern in der Bildungspolitik grundsätzlich gemeinsames Lernen aller Schülerinnen und Schüler, lehnen aber eine überstürzte Einführung ohne pädagogische, strukturelle und finanzielle Voraussetzungen dafür ab. Diese Voraussetzungen für die von der UN geforderte inklusive Beschulung müssen von der Landesregierung schnellstmöglich geschaffen werden.
Aktuell sind auf Landesebene und in den Regelschulen die notwendigen Voraussetzungen für eine inklusive Beschulung noch nicht umgesetzt. Daher bleiben Förderschulen für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorerst notwendige Lernorte für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung.
Die Stadtverwaltung der Stadt Halle sieht zwei der Förderschulen für Lernbehinderte, eine Förderschule für Sprachentwicklung und eine Förderschule mit Ausgleichsklassen langfristig als nicht bestandsfähig an und unternimmt Anstrengungen Standorte zu schließen.
Bereits seit einiger Zeit wird daher durch die Stadtverwaltung hartnäckig und gegen den wiederholt erklärten Willen des Stadtrates die Schließung der Förderschule „Jägerplatz” betrieben. Den Behauptungen der Stadtverwaltung zu sinkenden Förderschülerzahlen sowie Auslastungs- und Kostenproblemen können BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht folgen. Die 1994 sanierte Förderschule „Jägerplatz” ist erst durch die vom Landesverwaltungsamt mit Unterstützung der Stadtverwaltung herbeigeführten zwei Jahren ohne Schülerzuweisungen durch das Land formal bestandsgefährdet. Insbesondere aufgrund der Vorteile des Standortes hinsichtlich des vorhandenen Sanierungsstand, der überschaubaren Größe, dem guten Schulumfeld sowie der zentralen Lage in der Innenstadt ist diese Schule jedoch erhaltenswert.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung mit dem Erhalt des Förderschulstandortes „Jägerplatz“. Vor dem Hintergrund der Zuweisungspraxis in den Schuljahren 2009/10 und 2010/11 fordern wir zudem den Erlass einer Ausnahmegenehmigung für die Jägerplatzschule sowie eine hohe Zuweisungsquote, also eine Zuweisung von mehr SchülerInnen an diese und nicht an andere Förderschulen, durch das Landesverwaltungsamt um die Schule zukünftig entsprechend ihrer Kapazitäten auszulasten.
Die Stadtverwaltung und das Landverwaltungsamt begründen die Schließungsbestrebungen der Förderschule „Jägerplatz” mit Kostensenkungsargumenten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN folgen dieser Begründung für diesen Standort nicht. Mit konstruktivem Blick auf die Haushaltslage der Stadt sowie der angestrebten inklusiven Beschulung müssen unter der gestellten Prämisse des „Schließungszwangs“ auch andere Förderschulstandorte in die Betrachtung einbezogen werden. Sollte daher die Schließung einer Förderschule unumgänglich werden, so ist insbesondere auch deren baulicher Zustand und der Sanierungsaufwand in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen.
Die „Fröbel-Schule“ ist eine von zwei Förderschulen für Lernbehinderte in Halle-Neustadt und hat einen Sanierungsbedarf von mindestens 3 Millionen Euro für das Schulgebäude sowie weiteren 2 Million Euro für die Außenanlage und die Turnhalle (2007, Vorlage IV/2007/06391). So könnte stattdessen die Förderschule „Makarenko” in Halle-Neustadt saniert und zudem die gut sanierte Schule „Jägerplatz“ sowie die sanierte Förderschule „Pestalozzi“ besser ausgelastet werden. Die bei einer Schließung der Schule „Jägerplatz“ eingesparten Sanierungskosten sind minimal, denn es müssten stattdessen beide Förderschulen „Fröbel“ und „Makarenko“ und nicht nur eine Schule, die „Makarenko“ saniert werden.
Bei eine Schließung der „Fröbel-Schule“ und die Beschulung der dortigen SchülerInnen in anderen Förderschulen ist für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bedingung, dass sich diese in einem deutlich besseren baulichen Zustand als die „Fröbel-Schule“ befinden. Damit können die Nachteile des Schulwechsels für die Schülerinnen und Schüler wie auch der Lehrerinnen und Lehrer wenigstens zum Teil kompensiert werden.
Im Hinblick auf die geforderte Schließung einer Förderschule mit Ausgleichsklassen schlagen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Prüfung einer räumlichen Integration einer Förderschule mit Ausgleichsklassen in eine Förderschule mit freien Raumkapazitäten vor. So könnten die Klassen der Förderschule „J. Korczac“ in die sanierte und räumlich lange nicht ausgelastete Förderschule „Pestalozzi“ einziehen. Die Einsparung eines Schulgebäudes sowie die bessere Auslastung des Gebäudes der Förderschule „Pestalozzi“ wären damit möglich.
Qualität vor Quantität
In allen Diskussionen und Bewertungen sollten neben Auslastungs- und Belegungszahlen der Schulgebäude immer auch die Qualität der Schulen – insbesondere im Hinblick auf die Schulkonzepte – sowie infrastrukturelle Rahmenbedingungen mit in die Betrachtungen einbezogen werden.
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